Der
Suchmaschinen-Robot und der Webdesigner:
Ein
unidirektionales, virtuelles Märchen aus Düsseldorf / Auszug zit. n. Rainer
Kersten http://woodshed.de
An einem schönen
Sommerabend in einer rheinischen Grossstadt lehnte ein Suchmaschinen-Robot
gelassen an einer Kneipentheke und genoss nach seinem langen Arbeitstag ein
paar Gläser kühles Altbier. Er hatte in den letzten 24 Stunden 16
Millionen WWW-Seiten gelesen und ausgewertet. Die Ergebnisse hatte er bei
der Datenbank abgeliefert. Für heute reichte es ihm. Bloss keine HTTP-Anfragen mehr. Jetzt musste VoA [1] reichen.
Genussvoll liess er
das Altbier die Kehle runterlaufen. Ein lässiges Winken mit dem leeren
Glas reichte als Bestellung für das nächste. "Ein PubML [2] sollte
mal jemand erfinden", dachte er.
Dynamischen
Schrittes kam ein schwarzgekleideter Jüngling mit Drei-Tage-Bart und viel
Gel in den geschwärzten Haaren herein und stellte sich neben den Robot an
die Theke. "Au Scheisse! Ein Webdesigner!", dachte der Robot.
Webdesigner: Namd! [3]
Suchmaschinen-Robot:
Nabend.
Wirt: Wat darwet
denn sein?
Webdesigner: Einen
Prosecco, bitte. Aber kalt!
Wirt: Jau. Nochn
Alt, Robot?
Suchmaschinen-Robot:
Machma.
Der Jüngling riss
mit einem lässigen, mühsam einstudierten Griff den back pack [4] von
seinem Rücken, so dass er zielsicher auf der Theke landete. Dem Wirt
gelang es im letzten Moment, mit dem Prosecco auszuweichen.
Wirt: Biddeschön.
Webdesigner: Danke.
Ein weiterer
gekonnter Griff, und die Tasche landete am Haken des Tresen. Auf der Theke
blieb ein flatschneues Notebook übrig. "Nicht schon wieder!"
dachte der Robot. "Ich sollte nicht in Kneipen gehen, die so nahe am
Medienhafen in Düsseldorf liegen." Er drehte sich um und genoss sein
Altbier.
Der Jüngling
vergewisserte sich, dass alle anderen Thekenbewohner auch wirklich
hinguckten, und klappte das Notebook auf. Ein Tastendruck, und es ertönte
eine kurze, weltbekannte Melodie. Der Robot verschluckte sich an seinem Alt.
Nur wenige Minuten
später waren alle Applikationen hochgefahren, die solche schwarzgekleideten
Jünglinge zum Leben brauchen. Der Jüngling fummelte an einer Präsentation
herum und schlürfte unüberhörbar seinen Prosecco.
Der Robot konnte
nicht anders. Er musste auf das Display schielen. Was er sah, reichte ihm
schon. Aber die Falle klappte zu.
Webdesigner: Kennse
das?
Suchmaschinen-Robot:
Geht so.
Webdesigner: Wat
machse denn?
Ein Mensch hätte
jetzt "Bestattungsunternehmer" oder sowas gesagt. Aber Robots
können nicht lügen. Die wissen gar nicht, wie das geht. Ist auch besser
so.
Suchmaschinen-Robot:
Suchmaschinen-Robot.
Webdesigner: Nee,
echt jetzt?
Suchmaschinen-Robot:
Ja.
Webdesigner: Cool!
Dann kennste ja auch meine WWW-Seiten, ne?
Suchmaschinen-Robot:
Kann sein.
Webdesigner:
Sachdochma!
Suchmaschinen-Robot:
Was jetzt genau?
Webdesigner: Ob Du
meine Seiten kennst!
Suchmaschinen-Robot:
Sachma die URL!
Webdesigner: www.megacool-design.com [5]
Der Robot schaute
zur Decke und loggte sich in die Datenbank ein. Ein Blick genügte. "Au
weia!" dachte er.
Suchmaschinen-Robot:
Kenn ich.
Webdesigner: Und?
Suchmaschinen-Robot:
Und was?
Webdesigner: Wie
findste se?
Suchmaschinen-Robot:
Was jetzt genau?
Webdesigner: Meine
Seiten.
Suchmaschinen-Robot:
Nicht.
Webdesigner: Ja
wie: "Nicht"?!
Suchmaschinen-Robot:
Ich finde nix.
Webdesigner: ???
Suchmaschinen-Robot:
Ich kenne die URL, aber da ist kein Inhalt.
Webdesigner: Kann
gar nicht sein!
Suchmaschinen-Robot:
Doch. Ist so. Da is eine Grafik, und sonst nix.
Webdesigner: Ja
klar! Das ist mein Logo! Wie findste das?
Suchmaschinen-Robot:
Interessiert mich nicht. Mich interessiert Inhalt.
Webdesigner: Ja
wie: "Inhalt"?!
Suchmaschinen-Robot:
Text zum Beispiel.
Webdesigner: Der
ist doch auf der nächsten Seite!
Suchmaschinen-Robot:
Welche nächste Seite?
Webdesigner: Du
wirst doch nach 5 Sekunden per "meta refresh" weitergeleitet.
Suchmaschinen-Robot:
Nein.
Webdesigner: Ja
wie: "Nein"?!
Suchmaschinen-Robot:
Ich folge keinen Weiterleitungen. Ich folge nur Links.
Webdesigner: Warum
denn das? Was soll das denn?
Suchmaschinen-Robot:
Ich durchsuche die Texte auf den Seiten, die ich finde. Ich folge Links. Das
wars.
[...
Das war's natürlich noch nicht.
Wer weiterlesen will, bemühe sich aber bitte auf die Website des Autors
Rainer Kersten --> http://www.woodshed.de/publikationen/dialog-robot.html
]
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Fussnoten
1)VoA = " Voice over
Air ", ein veraltetes Protokoll, das nur ausserhalb des Internets
eingesetzt wird.
2)Pub ML =
"Kneipen Markup Language ". Ist eine Überlegung wert. Könnte bei
Hochbetrieb dem Wirt die Arbeit erleichtern.
3)Namd! = rheinische
Kurzform von "Guten Abend". In Düsseldorf weit verbreitet.
4)back pack =
denglisch für Rucksack. Vermutlich. Oder so.
5)Ich schwöre : Als
ich diesen Text schrieb, war die Domain nicht reserviert. Aber ich wundere
mich über nix mehr.
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