Orientalismus, Eurozentrismus, Rassismus: Herrschaftslegitimatorik in Weiß |
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Seit geraumer Zeit schon befindet sich ein ungefähr monatlicher
Newsletter in Planung, dessen Realisation allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Die Priorität dieses
Teilvorhabens kann natürlich durch intensive Nachfragen und Subskriptionen
erheblich gesteigert werden. Einstweilen stehen hier relevante Einzeltexte zu
aktuellen Themen. Momentan bildet der Aufstand der Gujars
im indischen Rajasthan z.B. ein solches.
Orient.Newsletter - Rajasthans Gujars im Aufstand
Die deutsche Öffentlichkeit wurde seit Ende Mai 2008 wieder einmal mit Bildern
aus dem Orient bedient, die den okzidentalen Hochmut der besseren und
wohlverdienten Leitkultur anhand dieser "soo typisch" indischen
Ereignisse angenehm bestätigt. Fast einen Monat lang nämlich revoltierten
Rajasthans Gujars unter anderem mit Straßenblockaden, Gleiszerstörungen und
Besetzungen, um eine von der Landesregierung im Wahlkampf zugesagte
Statusverbesserung endlich auch durchzusetzen. Bei blutigen Zusammenstößen in
diesem Kontext starben rund 40 Menschen, zumeist Gujars durch die Hand von
Polizeikräften, die sich überwiegend aus Meenas rekrutierten. Letztere sind
das, was die Gujars erst noch erreichen wollen: als Stamm anerkannt. Mit dieser
Anerkennung als "Scheduled Tribe" sind vor allem arbeitsplatzliche,
politische, schulische und soziale Quotierungen verbunden, die die
benachteiligte Situation der betroffenen Gruppe ausgleichen soll. Genau dort
liegt auch der Grund für die Aversionen der Meenas, die für den Fall einer
Erweiterung der Berechtigten Abstriche an ihren eigenen Quoten befürchten.
Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof die mögliche Gesamtquote für alle
"Scheduled Tribes", "Scheduled Castes" und "Other
Backward Classes" zusammen bei 50% gedeckelt, die jetzt gefundene Lösung
in Rajasthan allerdings erhöht die dortige Quote von 49% auf 68%, wobei der
5%-Anteil der Gujars (weitere 14% wurden noch anderen Gruppen zugestanden) zudem
vorerst nicht als ST, sondern BC verrechnet wird.
Hinter der ganzen Problematik, die hier nur erst angerissen erscheint, verbirgt
sich ein umfassender Komplex, der vielfältige erstaunliche Aspekte enthält und
vor allem als historisch-sozialer Prozess zu verstehen und zu diskutieren ist,
wie das auch in der indischen Öffentlichkeit ganz rational durchgeführt wird.
Das herablassend kopfschüttelnde Unverständnis der Lieschen Müllers und
Hänschen Kleins hingegen verweist in seiner begriffsstutzigen Blödigkeit schon
auf jene vorgängige eurozentrische Borniertheit, die getreu Tucholskys Diagnose
"keine Ahnung, aber Meinung" umso vorschneller und -lauter zu den
üblichen Versatzstücken (etwa dem ominösen "Kastenwesen") greift
– ohne den eigenen Bildungsnotstand auch nur ansatzweise wahrzunehmen. Dem
kann übrigens abgeholfen werden, z.B. mit einem fundierten und entsprechend
schwerpunktierten Wochen- oder Wochenendseminar wie meinem eigenen
Unknown India: Legenden und Wirklichkeiten kolonialer Penetration
- Der Segen der Pax Britannica und des globalen Freihandels
- Orientalische Despoten, Krieger, Räuber, Kasten, brennende Witwen und apathische Bauern
- Realgeschichte kolonialer Penetration am Beispiel agrosozialer Umwälzungen und anderer Fälle
- Pax Britannica, Pax Americana, Pax Democratica: Legitimationen weißer Dominanz im 19., 20. und 21.Jahrhundert.
Ein weiterer Bildungsbaustein liegt in Form einer historischen Fallstudie zum
Hirtenvolk der Gujars im Doab des 19.Jahrhunderts vor, in der geschichtliche
Hintergründe und Entwicklungen dieses in zwei indischen Bundesstaaten übrigens
tatsächlich als ST anerkannten Stammes untersucht werden.
The Pastoralist Gujars
and the Impact of Agro-social Transformation Through British Colonialism in the
19th Century Doab
(dt.: Das Hirtenvolk der Gujars im Spannungsfeld der agrosozialen
Transformation durch die britische Kolonialmacht im Doab des 19.Jahrhunderts)
The British colonialism´s history alone is a very complex problem even in the territorial and temporal enclosure here (Doab, 19th century), moreover while being connected to the question of agro-social transformation. The difficulties then multiply by taking into consideration a pastoral group. Receivable informations on Gujars are not only seldom (if not mainly their warlike contribution to the
`mutiny´ is considered) and widespread, they are also inconsistent and refractory to simple ranging and judging (what is valid for Indian society in general). Both bases in a euro-centric framed source material and investigation: So it is clear, that an agro-exploiting orientated colonialism would not leave too much statistics or balances regarding cattle-breeders´ activities. Likewise reduced, conventional research notices the complex and heterogeneous social structure of a because of its pastoral character anyhow marginally recognized culture, what could be easily exemplified along the until now not cleared question, whether the Gujars are a tribe or a
caste.
weiter
Die deutsche Originalfassung ist auf Anfrage ebenfalls über diesen Link
erreichbar, muss aber erst noch neu gesetzt oder digitalisiert werden.
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