Plakat 1968, Olivio Martinez

Das herausragendste Ereignis in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für Lateinamerika stellt die am 1. Januar 1959 siegreiche Kubanische Revolution dar. Diese kleine Insel, die sich als letzte von der spanischen Kolonialherrschaft befreite (1898), hat als erstes Land Lateinamerikas die zweite und definitive Unabhängigkeit errungen. Aus einem Zipfel des amerikanischen »Hinterhofs« wird plötzlich ein Vorposten der Hoffnung für einen ganzen Kontinent. Zum ersten Mal nimmt ein Volk im Einklang mit der Führung seine Geschicke in die eigene Hand und praktiziert das Selbstbestimmungsrecht. Und dies 90 Meilen vor der Südspitze der alles dominierenden Hegemonialmacht.
Was der Welt und den damaligen Großmächten wie das hoffnungslose Abenteuer einer Handvoll Rebellen vorkam, war ein fundamentales Werk der neuen Zeit, das bis ins 21. Jahrhundert andauert. Dabei sind seit dem Angriff auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba am 26. Juli 1953 die grundsätzlichen Zielsetzungen der kubanischen Revolutionäre öffentlich bekannt. Ein politisches Programm, das insbesondere bei der ländlichen Bevölkerung auf große Begeisterung stieß, während die kleine Oberschicht und fast die ganze Mittelschicht dem Land in Richtung Miami den Rücken. Dort bilden sie einen Hort der Konterrevolution und stellen ein Wählerpotenzial für die wechselnden, aber immer noch an der Monroe-Doktrin festhaltenden US-Präsidenten dar... eine Würgepolitik, die bald in die noch heute anhaltende und mehrmals weiter verschärfte Handels- und Wirtschaftsblockade mündete. 
In den ersten 33 Jahren nach dem Triumph der Revolution konnten die Lebensbedingungen der Kubaner wesentlich verbessert werden. Seit der Implosion des sozialistischen Staatenbundes beziehungsweise mit der seither dominant gewordenen Globalisierung der Wirtschaft durch die Industrienationen hat das Land mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen... mit all seinen Folgen, namentlich dem Dollar- und Konsumterror. Kuba zeigt: Der Aufbau einer völlig neuen Gesellschaftsordnung erfolgt nie geradlinig, und schon gar nicht unter derart widrigen Bedingungen. Es gibt hierzu zwar Klassiker der Revolutionstheorie, aber keine Rezeptbücher.(René Lechleiter)

 
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